Internationale Praxis retten!

Offener Brief zur Schließung der Internationalen Praxis

Zum Ende des Jah­res 2025 muss die Inter­na­tio­na­le Pra­xis in Dres­den auf­grund feh­len­der fi­nan­zi­el­ler Mit­tel ihre Ar­beit ein­stel­len. Sie war die ein­zi­ge am­bu­lan­te An­lauf­stel­le für mi­gra­ti­ons­sen­si­ble Ge­sund­heits­ver­sor­gung mit Sprach­mitt­lung für Men­schen un­ab­hän­gig von ih­rem Auf­ent­halts­sta­tus. Eine gleich­be­rech­tig­te ge­sell­schaft­li­che Teil­ha­be ist ohne eine ver­läss­li­che ge­sund­heit­li­che Ver­sor­gung nicht mög­lich. Die Kür­zung der Mit­tel für die Inter­na­tio­na­le Pra­xis trifft da­her nicht nur die un­mit­tel­bar be­trof­fe­nen Men­schen, son­dern schwächt zu­gleich den ge­sell­schaft­li­chen Zu­sam­men­halt.

📢 Was wir fordern

Unsere Forderungen:

  1. Wei­terbe­trei­bung der Inter­natio­nalen Praxis oder ander­weit­iger Anlauf­stellen für Menschen ohne ge­setz­licher Kranken­ver­siche­rung, das heißt Auf­rechter­hal­tung einer Struktur für in Deutsch­land an­ge­kom­mene Menschen ohne ge­setz­liche Kranken­ver­siche­rung
  2. Staat­lich be­zu­schuss­te flä­chen­de­cken­de Sprach­mitt­lung im am­bu­lan­ten Ge­sund­heits­sys­tem
  3. Fort­bil­dun­gen in mi­gra­ti­ons­sen­si­bler und ein­fa­cher Spra­che für Fach­kräf­te des Ge­sund­heits­we­sens
  4. Ad­ä­qua­te be­darfs­ge­rech­te Ge­sund­heits­ver­sor­gung un­ab­hän­gig von ge­spro­che­ner Spra­che oder Her­kunft

Die Internationale Praxis Dres­den hat in den ver­gan­ge­nen Jah­ren einen wich­tigen Bei­trag zur gesell­schaft­lichen In­te­gra­tion ge­leistet und eine Vor­bild­funk­tion in der am­bu­lanten me­di­zi­nischen Ver­sor­gung über­nommen. Durch den Ein­satz von Dol­met­schern und eines in­ter­kul­tu­rel­len Pra­xisteams wurde eine sprach- und kul­tursen­sible Be­hand­lung ge­währleistet.

Das brei­te me­di­zi­nische An­gebot um­fass­te eine all­ge­mein­ärzt­liche Ver­sor­gung bei akuten und chroni­schen Er­kran­kungen, Schmerz­behand­lung so­wie Impfungen. Zu­dem wur­den kin­der­ärzt­liche Vor­sor­ge­un­tersuchun­gen, Impfungen und Tauglichkeits­untersuchun­gen für den Kin­dergarten an­ge­boten. Im frauen­ärzt­lichen Be­reich erfolg­ten eine um­fassende Schwan­ger­schafts­be­treu­ung, Krebs­vor­sorge, all­gemeine Vor­sor­ge­un­tersuchun­gen so­wie eine Be­ratung zu Kin­der­wunsch und Fa­mi­lien­pla­nung.

Sehr geehrte Mit­ar­bei­tende der Kas­sen­ärz­tli­chen Ver­ei­ni­gung, Po­li­ti­ker:innen, Lan­des­di­rek­ti­on, Ge­sund­heits-­ und So­zi­al­amt,

wir als Mit­ar­bei­ten­de der Ge­sund­heits­ver­sor­gung wen­den uns an Sie be­züg­lich der Schlie­ßung der In­ter­na­tio­na­len Pra­xis zum 31.12.2025.

Mit Schrecken haben wir von der Schließung der Praxis erfahren. Dies wird begründet mit einer fehlenden Notwendigkeit einer solchen Anlaufstelle und der Möglichkeit einer problemlosen Eingliederung der Patient:innen in bestehende Praxen. Bisher erfolgte die Finanzierung auch über staatliche Mittel, aktuell sieht der Haushaltsplan mit Sparmaßnahmen im sozialen System diesen Posten jedoch nicht mehr vor.

Aus den bei­spiels­wei­se im Deut­schen Ärz­te­blatt ver­öf­fent­lich­ten Zah­len geht her­vor, dass die In­ter­na­tio­na­le Pra­xis im Jahr 2023 10.300 Patient:innen ha­be. Wie sol­len die­se Patient:innen in das ak­tu­ell be­ste­hen­de all­ge­mein- und fach­ärzt­li­che Sys­tem ein­ge­glie­dert wer­den? Es wird auf schon vor­han­de­ne Struk­tu­ren ge­setzt, ob­wohl schon jetzt die Ver­mitt­lung von Fach- und Haus­arzt­ter­mi­nen ge­ne­rell her­aus­for­dernd und ein wie­der­keh­ren­des An­lie­gen von Klient:innen in Be­ra­tungs­stel­len ist. Ins­be­son­de­re bei vor­han­de­ner oder un­ter­stell­ter Sprach­bar­rie­re ge­stal­tet sich die Pra­xis­su­che schwie­rig.

Im Stadt­teil Dres­den Gor­bitz bei­spiels­wei­se gibt es ei­nen Be­darf ins­be­son­de­re in der päd­ia­tri­schen Ver­sor­gung, wel­cher zu ei­nem An­teil durch die In­ter­na­tio­na­le Pra­xis ge­deckt wird. Die­se führt wich­ti­ge Imp­fun­gen und not­wen­di­ge Un­ter­su­chun­gen für die Ki­ta- und Schul­taug­lich­keit durch und er­mög­licht so al­len Kin­dern die Teil­ha­be am Bil­dungs­sys­tem. Ge­ra­de für die Schul­eig­nung und die da­mit ver­bun­de­ne Impf­pflicht ist je­doch ein Arzt­be­such un­ab­ding­lich und muss des­halb auch ge­währ­leis­tet sein! Zur­zeit liegt selbst in der In­ter­na­tio­na­len Pra­xis die War­te­zeit für Neu­vor­stel­lun­gen bei et­wa drei Mo­na­ten. Durch die Schlie­ßung wird sich die Ver­sor­gungs­la­ge vor al­lem für Kin­der, de­ren El­tern nicht mut­ter­sprach­lich deutsch spre­chen und die auf Sprach­mitt­lung an­ge­wie­sen sind, si­gni­fi­kant ver­schlech­tern. An­de­re im So­zi­al­raum an­ge­sie­del­te päd­ia­tri­sche Pra­xen neh­men auf An­fra­ge oft kei­ne neu­en Patient:innen auf, da sie be­reits stark be­legt sind. In Pra­xen ge­hört die Sprach­mitt­lung nicht zur Re­gel­ver­sor­gung und bei ei­nem akut kran­ken Kind kann so­mit mög­li­cher­wei­se kei­ne me­di­zi­ni­sche Vor­stel­lung er­fol­gen. Ob das Kind ge­setz­lich kran­ken­ver­si­chert ist und wie lan­ge es oder die El­tern schon in Deutsch­land le­ben, macht hier­für kei­nen Un­ter­schied.

Ver­sor­gungs­lü­cken, wel­che durch die Schlie­ßung der In­ter­na­tio­na­len Pra­xis ent­ste­hen, ha­ben weit­rei­chen­de Aus­wir­kun­gen. So wird der Ar­beits­auf­wand für Ver­mitt­lung von Ärzt:innen stei­gen und ver­mehrt Ar­beits­zeit in Be­ra­tungs­stel­len er­for­dern, wel­che dann an an­de­rer Stel­le fehlt. Zu­dem ist zu er­war­ten, dass mehr Men­schen Not­auf­nah­men auf­su­chen, weil ih­nen al­ter­na­ti­ve An­lauf­stel­len feh­len oder un­klar ist, wo­hin sie sich wen­den kön­nen. Auch die Kos­ten für Sprach­mitt­lun­gen wer­den auf­grund des Weg­falls ei­ner mehr­spra­chi­gen Ein­rich­tung stei­gen. So­wohl Arzt­pra­xen als auch Trä­ge­rin­nen der So­zia­len Ar­beit im Stadt­teil be­trach­ten die­se Ent­wick­lung mit Sor­ge.

Die Mit­ar­bei­ten­den der In­ter­na­tio­na­len Pra­xis sind hin­zu­kom­mend Expert:innen auf dem Ge­biet der kul­tur- und sprach­sen­si­blen Ver­sor­gung, die ei­nen wich­ti­gen Bei­trag zu In­klu­si­on und be­darfs­ge­rech­ten ge­sund­heit­li­chen Ver­sor­gung leis­tet. Im Fo­kus ste­hen hier­bei die ge­setz­lich ge­schütz­ten Pa­ti­en­ten­rech­te. Da­zu ge­hö­ren un­ter an­de­rem das Recht auf ver­ständ­li­che Auf­klä­rung so­wie das Recht, Be­hand­lun­gen nach um­fas­sen­der und nach­voll­zieh­ba­rer In­for­ma­ti­on in ei­ge­ner Ab­wä­gung ab­zu­leh­nen. Die­se Rech­te kön­nen oh­ne kul­tur- und sprach­sen­si­ble Be­hand­lung nicht ge­wahrt wer­den. Im ak­tu­el­len Ver­gü­tungs­sys­tem wird die­se Be­hand­lung aber nicht oder nur un­zu­rei­chend fi­nan­zi­ell ver­gü­tet.

Dar­über hin­aus wer­den Er­kran­kun­gen, die auf­grund man­geln­der An­sprech­mög­lich­kei­ten für Patient:innen nicht dia­gno­s­ti­ziert wer­den, lang­fris­tig hö­he­re Kos­ten im Ge­sund­heits­sys­tem ver­ur­sa­chen, wenn die­se erst nach ei­nem lan­gen Ver­lauf ent­spre­chend auf­wän­di­ger und kos­ten­in­ten­si­ver be­han­delt wer­den.

Auf­grund glo­ba­ler Kri­sen, Her­aus­for­de­run­gen und Fach­kräf­te­man­gel wird es auch in Zu­kunft Mi­gra­ti­on nach Deutsch­land ge­ben. Der Ab­bau der sprach- und kul­tur­sen­si­blen Ver­sor­gungs­struk­tur ist des­halb nur ei­ne kurz­fris­ti­ge Maß­nah­me, die in Zu­kunft wie­der mit er­höh­ten Kos­ten auf die Ge­sell­schaft zu­rück­fal­len wird.

✍️ Unterstützen

Wenn du dem Text zustimmst, hinterlasse deinen Namen:

Mit Klick auf den folgenden Button wird dein Name und dein Kommentar auf der Webseite veröffentlicht.
Deine E-Mail wird nicht angezeigt.

Bereits unterstützt von: